„Identity entered modern mind and practice dressed from the start as an individual task. It was up to the individual to find escape from uncertainty. Not for the first and not for the last time, socially created problems were to be resolved by individual efforts, and collective maladies healed by private medicine.“
by Zygmunt Bauman „From Pilgrim to Tourist – or a Short History of Identity“

VORWORT

„Willkommen, Welcome, Boa Noite!
Meine Damen und Herren, Senhores e Senhoras, Ladys and Gentlemen,
Diese Aufführung ist eine Feier, ein Familienfest der besonderen Art, um über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zu sprechen und darüber, wie wir uns gegenseitig geprägt haben, welche Spuren wir aneinander gelassen haben. Mehr als zweihundert Jahre kennen wir uns, die Mosambikaner und die Deutschen leben miteinander, haben geliebt, gestritten, gemeinsam Großes und Kleines vollbracht! Die Geschichte dieses Theaterabends besteht aus sehr vielen Geschichten, aber es gibt eine Kraft, die diese vielen Geschichten zusammenhält. Dieser Abend ist dieser Kraft gewidmet. Diese Kraft, die immer in der Geschichte anwesend ist und die trotzdem in keinem Geschichtsbuch auftaucht, ist die Liebe. Wir widmen diese Familienfeier heute der LIEBE.“

Dieses Zitat aus der Eröffnung des Theaterstückes „Identity – a Bloody Romance“ finde ich treffend auch als Einleitung für die gleichnamige Ausstellung. Die künstlerische Arbeit an dem Thema hat einen sehr persönlichen Hintergrund und fängt bei meiner mosambikanischen Frau Inhalambi und unseren gemeinsamen Kindern an. Wurden durch meine Familie die großen Themen der Identität und Migration quasi täglich zwischen Küche und Wohnzimmer verhandelt, erweiterte sich die Auseinandersetzung mit den Themen zu einer ausgiebigen Recherche in Bibliotheken und Filmarchiven, gefolgt von zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen der mosambikanisch–deutschen Beziehungen sowie Reisen durch Mosambik und Deutschland, auf denen die Fotos und Kurzfilme entstanden.

Als ich daraufhin das Theaterstück „Identity – a Bloody Romance“ zu schreiben begann, fügten sich die unzähligen Informationen, Gedanken, Eindrücke und Aussagen wie ein Puzzle zusammen und mit dem Inszenieren des Theaterstücks und dessen Präsentation in Maputo war ich wieder dort angekommen, wo ich meine Heimat sehe – im Theater. Dabei ging es mir anfangs wie den meisten Deutschen: Als ich Inhalambi getroffen habe, wusste ich nicht, wo Mosambik liegt, hatte zuvor nie einen Mosambikaner getroffen und wusste nicht einmal, welche Sprache man dort spricht. Vor zehn Jahren reisten meine Frau und ich zum ersten Mal gemeinsam nach Mosambik. Am Tag unserer Ankunft in Maputo trafen wir auf hunderte deutschsprachiger Mosambikaner mit sächsischem Akzent, die demonstrierend die Fahne der DDR schwenkten. Ich selbst bin in Sachsen geboren und aufgewachsen und hatte zu DDR-Zeiten nie einen Menschen aus Afrika gesehen. Umso mehr weckten die Demonstranten mein Interesse, und ich begann, mich voller Leidenschaft in die deutsch-mosambikanischen Beziehungen zu verstricken.
Als dann unsere Kinder mit der gemischten Identität geboren wurden, begann ich mich zu fragen, wie es wohl für sie sein wird, wenn sie in Deutschland aufwachsen und ihre Freunde sie fragen, ob sie Afrikaner seien. Was werden sie wissen über das Land ihrer Mutter, über Mosambik, was haben sie von deren Hälfte des Erbguts mitbekommen und wie werden sie sich selbst sehen – als Deutsche? Als Mosambikaner?

Fast alle Menschen haben einen „romantischen Bezug“ zu ihrer eigenen Identität. Stolz berichteten die Involvierten von dem Erlebten und Erlernten, wobei deutlich wurde, dass besonders aus den „bloody“, also den schmerzhaften Erfahrungen, der reichhaltigste Zugewinn zur Persönlichkeit gewonnen wurde und ein fantasievoller Umgang mit der eigenen Geschichte eine sichere Identität schaffen kann.
So, wie die verschiedenen Aspekte der durch Migration geprägten Identität, die Sprache, das Zugehörigkeitsgefühl, die Profession, die Sexualität, ökonomische Interessen und Abhängigkeiten mich und meine Familie im Alltag betreffen, so wollte ich – das war mein künstlerischer Ausgangspunkt für das Projekt – die Verbindungen der beiden Länder durch persönliche Geschichten erzählen. Diese Geschichten spiegeln unmittelbar die großen Themen der Nord/Süd-Thematik und der historischen afrikanisch-westlichen Kontroverse, zeigen aber auch Emotionalität und zwischenmenschliche Aspekte wie die der „Liebe“ auf.

Jens Vilela Neumann im Januar 2014 Berlin

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